BNN - Ausgabe Bruchsal vom 16. Dezember 1997

Das Interview

Dekan plädiert für alternative
Finanzierungsmöglichkeiten

Die Auswirkungen des landeskirchlichen Stellenabbaus auf Bruchsal

Rundschau-Interview mit Wolfgang Brjanzew

Bruchsal. Wegen erheblich geringerer Kirchensteuereinnahmen muß die Evangelische Landeskirche in Baden Personalstellen abbauen. Nachdem die Landessynode - das demokratisch gewählte Kirchenparlament - entsprechende Kürzungsvorgaben für alle Kirchenbezirke festgeschrieben hat ....

Über die Bedeutung dieser Maßnahmen, vor allem im Blick auf die Kirchengemeinde Bruchsal, sprach unser Redaktionsmitglied Bertold Moos mit Dekan Wolfgang Brjanzew, dem Vorsitzenden des Bezirkskirchenrates im Kirchenbezirk Karlsruhe-Land.

BNN: Wie sehen die Kürzungsvorgaben für den Kirchenbezirk Karlsruhe-Land aus?

Brjanzew: In unserem Kirchenbezirk wurden insgesamt 6,5 von bisher 35,33 landeskirchlichen Mitarbeiterstellen im gemeindlichen Bereich gestrichen. Die für uns verbindliche Kürzungsvorgabe lautet konkret: Abbau von zwei Gemeindepfarrstellen, drei Pfarrvikarseinsätzen und 1,5 Gemeindediakonenstellen.

BNN: Wird es nun im kirchlichen Bereich zu Entlassungen kommen?

Brjanzew: Entlassungen wird es keine geben. Sämtliche Stellenreduzierungen sind so angelegt, daß sie in Verbindung mit Ruhestandsterminen umgesetzt werden. Außerdem wird es befristet für bestimmte Jahrgänge die Möglichkeit eines frühzeitigen Ruhestandes geben. Um diese sozial verträgliche Lösung finanzieren zu können, wird es vorübergehende Eingriffe in die Besoldungsstrukturen der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben. Hier ist innerkirchliche Solidarität unerläßlich.

BNN: Wie haben Sie seitens des Bezirkskirchenrates die landeskirchlichen Kürzungsvorgaben umgesetzt?

Brjanzew: Im Kirchenbezirk Karlsruhe-Land haben wir durch eine sehr differenzierte und um möglichst gerechten Lastenausgleich bemühte Konzeption einen Strukturplan erarbeitet, der alle uns in zahllosen Gesprächen, Vorschlägen und Eingaben zum Ausdruck gebrachten Interessen berücksichtigt hat, auch wenn natürlich nicht alle Wünsche berücksichtigt werden konnten. Selbst die beste Planung kann nichts daran ändern, daß am Ende konkrete Kürzungsergebnisse stehen müssen. Sehr hilfreich war natürlich die Tatsache, daß sämtliche Mitglieder des Bezirkskirchenrates und des Strukturausschusses selbst Kirchenälteste, Synodale, Pfarrerinnen und Pfarrer und Gemeindediakone sind. So konnte wirklich mit Augenmaß und Basisnähe geplant werden, was auf der letzten Bezirkssynode durch die entsprechenden Voten der Synodalen auch deutlich bestätigt wurde.

BNN: Zu welchen praktischen Ergebnissen hat nun der vom Bezirkskirchenrat offiziell verabschiedete Strukturplan geführt?

Brjanzew: Durch die Schaffung von Teildienstverhältnissen, neuen Kooperationsstrukturen und Verbindungen von gemeindlichen und bezirklichen Aufgaben konnten die verbliebenen Mitarbeiterressourcen ausgewogen verteilt werden. Insgesamt wurden in sechs Gemeinden die gemeindlichen Deputate von Gemeindepfarrerinnen ........ einsatz beziehungsweise der Gemeindediakoneneinsatz ersatzlos gestrichen werden. In zwei Gemeinden konnte der Abbau von Pfarrvikarseinsätzen durch Gemeindediakonenstellen kompensiert werden. Ein weiterer Gemeindediakoneneinsatz mußte auf ein halbes Deputat reduziert werden, und fünf Gemeinden des Kirchenbezirks müssen künftig auf die Begleitung durch zwei projektbezogen eingesetzte Gemeindediakone mit Bezirksauftrag verzichten, weil diese Stellen gestrichen wurden.

BNN: Welche Auswirkungen haben denn diese Maßnahmen für die evangelische Gesamtkirchengemeinde Bruchsal?

Brjanzew: Nach dem kirchenbezirklichen Stellenplan hatte die evangelische Kirchengemeinde Bruchaal mit ihren vier Pfarreien und einem halben Dienstauftrag Krankenhausseelsorge bisher 4,33 Planstellen (3,83 Pfarrstellen und eine Gemeindediakonenstelle). An der Anzahl der Planstellen ändert sich nach dem neuen Strukturplan nichts.

Allerdings wird es ab Ende des Jahres 2002 in Bruchsal eine Pfarrstelle weniger und dafür eine Gemeindediakonenstelle mehr geben. Dadurch ergeben sich folgende neue Strukturen: Für die Christusgemeinden in Unter- und Obergrombach und die Paul-Gerhardt-Gemeinde mit insgesamt 2 675 Gemeindegliedern werden dann ein Gemeindepfarrer bzw. eine Gemeindepfarrerin (oder ein Pfarrersehepaar) mit vollem Dienstauftrag und ein Gemeindediakon oder eine Gemeindediakonin mit halbem Dienstauftrag zuständig sein. Außerdem wird hier zusätzlich im gottesdienstlichen Bereich der Gemeindepfarrer der Lutherpfarrei Süd mit einemfesten regelmäßigen Predigtauftrag Dienst tun. Da die Christusgemeinden nicht über ein eigenes Pfarrhaus verfügen, wird der Pfarrstelleninhaber im Pfarrhaus der Paul-Gerhardt-Gemeinde wohnen. Organisatorisch bleiben die Christusgemeinden und die Paul-Gerhardt-Gemeinde völlig selbständig wie bisher. Das halbe Deputat Krankenhausseelsorge wird ein Gemeindediakon oder eine Gemeindediakonin mit entsprechender Qualifikation übernehmen. Der Luthergemeinde mit ihren beiden Pfarreien und ihrer Zuständigkeit für rund 4850 Gemeindeglieder einschließlich der Seelsorge am Evangelischen Altenzentrum werden auch künftig 1,33 Pfarrstellen und eine Gemeindediakonenstelle gewidmet werden. Über eine Neuorganisation der Kooperation zwischen den beiden Lutherpfarreien wird gegenwärtig nachgedacht.

BNN: Gibt es aus Ihrer Sicht Anlaß für die Hoffnung, daß kurz- oder mittelfristig wieder mehr Kirchensteuermittel für die Finanzierung hauptamtlicher Kräfte zur Verfügung stehen?

Brjanzew: Ich persönlich erwarte in absehbarer Zeit keine grundsätzliche Trendwende im Blick auf das Thema Kirchensteuer. Aber ich plädiere nachdrücklich dafür, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen. Es gibt ermutigende Beispiele für spendenfinanzierte Mitarbeiterstellen. Hier gilt es, noch viel kreativer zu werden, zum Beispiel durch die Gründung von Trägerfonds und die Gewinnung von Sponsoren und Gemeindegliedern, die durch regelmäßige Spenden ein bestimmtes Mitarbeiterdeputat finanzieren. Wenn Gemeinden hier engagiert ans Werk gehen, werden sich manche zusätzlichen Möglichkeiten auftun.